Die Geschichte unserer Kirche(ngemeinde)

Erinnerungen, persönliche Berichte, Rückblicke und Einsichten in die Geschichte unserer deutschsprachigen evangelisch-lutherischen Gemeinde in Quito.

 

Bericht über die Anfänge der Gemeinde - beschrieben von Christian Lohs

Es muss in den 1950er Jahren gewesen sein, dass eine kleine Gruppe von Freunden deutscher Abkunft in Quito/Ecuador den Traum entwickelte, hier eine ev. luth. Kirche zu bauen in der sie und ihre Familien in Deutsch zum Herrgott beten könnten. Der wichtigste Mann für uns war Dr. jur. Wolfgang Scharnow, Sohn des als Mensch und als Lehrmeister großartigen alten Herrn Scharnows, sodann, Hannes Spatz , Hans Griesbach, seine Eltern waren als Lehrer beim Bau der Eisenbahn von Kemal Atatürk tätig geesen, Jürgen Heuer aus Hamburg-Othmarschen und Christian Lohs aus dem Erzgebirge.

Wir wussten, dass es sehr, sehr schwierig werden würde, da die Macht der kath. Kirche praktisch unbegrenzt war. Aber fast jeder von uns hatte auf dem privaten Gebiet Freunde unter den Würdenträgern der kath. Kirche, die damals wie fast Alles in Ecuador sich nach dem entgegenkommend höflichen Prinzip des Respekts vor kultivierten Nachbarn leiten ließ. Wir schickten also eine Abordnung zum kath. Bischof -damals gab es keinen Erzbischof in Quito-, die ihn bitten sollte, uns den Bau einer Kirche zu genehmigen. Hätte seine Eminenz "Nein" gesagt, hätten wir Alles fallen lassen müssen. Nach kurzer, aber angstvoller Zeit sagte der sehr gebildete, alte Herr: "Sie dürfen Ihre Kirche bauen, nur muss ich Sie bitten, mir Ihr Ehrenwort als Caballeros zu geben, dass sie keine Missionstätigkeit für Ihre Religion ausüben werden." Dies Versprechen erhielt er.

Es wurde allerdings Jahre später durch einen dogmatisch denkenden Calvinisten aus Norwegen gebrochen. Er mischte sich auch in unsre Wahl des künftigen Pfarrers in unsrer Kirche ein und sagte: "Ja, aber der soundso ist ja verheiratet!" Drauf der Rektor der Deutschen Schule: "Ich glaube, Luther stand auch dem weiblichen Geschlecht nicht abhold gegenüber und außerdem haben uns die Pfarrersfrauen immer bei der Jugendarbeit gut unterstützt!" Niemand begleitete den begossnen Pudel zur Tür.

Jetzt machten wir uns also auf die Suche nach einem geeigneten Grundstück und Geld zur Finanzierung. Beides fanden wir: das Geld wurde uns vom Kirchlichen Außenamt vorgeschossen und das Grundstück ist das, wo heute unsre Kirche steht. Eines Tages wurde auch der Grundstein hinten rechts neben dem Altar feierlich gelegt, wir hielten es aber für angemessener, keine Namen zu nennen."

Die Anfänge der Iglesia Evangelica Luterana del Ecuador - beschrieben von Jürg Wille

Ich stelle mich vor: Dr. Jürg Wille (1916), Schweizer aus Zürich, aufgewachsen in evangelisch-reformiertem Bekenntnis, beauftragt, die Textilfirma „La Europea“ im Batan, Quito, im Interesse schweizerischer Teilhaber (Seidenfirma Schwarzenbach-Thalwil ZH) zu sanieren. Seit 1950 verheiratet mit Christine Gulden aus Mannheim, Malerin, evangelisch-lutherisch, drei Kinder in Quito geboren.

Am 15. Oktober 1951 kamen wir in Quito an und mieteten ein Haus an der Avenida Orellana, nahe dem Colegio militar. Zu Weihnachten suchten wir Kontakt mit einer deutschsprachigen evangelischen Kirchengruppe, da wir nicht zur amerikanischen Gruppe „Voz de los Andes“ wollten.

Wir fanden über das Schweizer Konsulat Verbindung zum Schreinermeister Juan Bodenmann aus Appenzell, damals noch unverheiratet. Er wohnte in der Gegend der Nunziatur, d. h. zwischen 10 de Agosto u. Av. De la Americas. Er hatte in seinem Haus einen Raum freigemacht und in einfacher Möblierung als Kirchenraum für ca. 20-30 Personen hergerichtet. Ihm nahestehend amtierte quasi als Kirchenältester Prof. Georg Dehn, ein 1939 aus Hamburg emigrierter lutherischer Archäologe, Kriegsteilnehmer des 1. Krieges, von da teils verletzt, teils falsch operiert. Mit verkürztem Bein verbrachte er seinen Alltag mit der mühsamen Belieferung der Kunden seiner Frau Wiltrud, die in Quito hervorragende Joghurt- und andere Milchprodukte herzustellen wusste, bei Europäern und Amerikanern sehr beliebt und gefragt. Dehn als geistiges Haupt, der reformierte Schreiner Bodenmann als Praktiker. Dehn war übrigens ein stimmstarker Sänger zum Harmoniumspiel der jüdischen Frau Seckel aus Frankfurt. Dehn hatte ursprünglich bei den amerikanischen Baptisten an der 10 de Agosto (Voz de los Andes) Anschluss gesucht, war aber als Deutscher unfreundlich behandelt worden. Als Pfarrer diente dieser Klein-Gemeinde ein amerikanischer Reformierter, Pfr. Pablo Streich, der bei einer „Andean Mission“ weiter im Süden des Landes seine Hauptaktivität hatte. Er konnte in nur unregelmässigen Abständen, jedoch möglichst zu den großen Feiertagen nach Quito kommen, pro Jahr also 5-8 Gottesdienste halten. Seit wann diese Klein-Gemeinde vor unserer Zeit schon Aktivität hatte, weiß ich nicht, wohl etwa 2-3 Jahre. In diesem Rahmen also feierten wir unsere erste Kirchen-Weihnacht 1951 in Quito.

Von da ab fühlte ich mich angesprochen und in Erinnerung an meine sehr gläubige, verstorbenen Mutter und in aufrichtiger Bruderschaft zu meinen Schwägern Pastor Friedrich v. Bodelschwingh und Prof. Carl Friedrich v. Weizsäcker – beide Ehemänner meiner älteren Schwestern, verpflichtet, am Aufbau einer reformiert-lutherischen Gemeinschaft mitzuarbeiten.

Das Jahr 1952 schenkte meiner Frau und mir ein erstes Töchterchen, das am 16.11. des gleichen Jahres im Haus Bodenmann durch Pastor Streich getauft wurde. Anschließend ging Pfr. Streich auf ein Jahr nach Amerika in Heimaturlaub. An seiner Stelle kam der lutherische Schweden-Pfarrer Kastlund aus Medellin ihn zu vertreten für einige Gottes-dienste nach Quito. Uns Reformierten war der Schwede zu orthodox und den Norwegern und Dänen war die schwedische Sprache zu fremd. Aber Pastor Kastlunds Kommen hatte eine andere Folge, die entscheidend werden sollte. Durch ihn hörte der Generalsekretär des Lutherischen Weltbundes in New York von unserem Tun.

Im April 1954 kam Pfr. Kastlund mit Dr. Stewart Herman nach Quito, meldete sich bei Bodenmann und traf sich bald danach mit mir. Im Lauf unseres Gesprächs stellte sich heraus, dass Dr. Herman ein Freund und guter Bekannter des Onkels meiner Frau, Mr. Paul J. Gulden, Parisher von „Holy Trinity“ in New York, war. Warm geworden, konnte ich ihm unsere Situation schildern: Wir brauchen einen eigenen Pfarrer, er soll ruhig Lutheraner sein, aber kein Orthodoxer, denn die Reformierten seien gesamthaft zwar eine Minderheit, aber sie sind die Aktiven und ihr Bekenntnis müsse „respektiert“ werden.

Die deutsche Gruppe sei schwierig, ein Teil seien Anti-Nazi, z. T. emigrierte, ein anderer Teil seien nazi-freundlich gewesene Auslanddeutsche – ein aus Deutschland stammender Pfarrer würde eo ipso von der einen oder anderen Gruppe vereinnahmt, darum lieber für die erste Zeit keinen deutschen Pfarrer. So bleibe nur die Wahl eines toleranten skandinavischen Lutheraners, der allen Skandinaviern genehm, ausreichend deutsch- aber auch englischsprechend sei, also ein Norweger (Dänen und Schweden verstehen Norwegisch, nicht aber umgekehrt). Dr. Herman versprach, einen Norweger zu suchen.

Wenige Monate später konnte Dr. Herman melden, dass der norwegische Pfarrer Odd Knaevelsrud (1917) mit Familie (Frau Magnhild Petra und 2 Söhne) bereit sei, sich nach Quito zu verpflichten. Pastor Knaevelsrud war zu diesem Zeitpunkt Pastor der skandinavischen Seeleute in Cardiff. Aber in Quito war Dr. Camillo Ponce, Innenminister, mit der Absicht ein streng-katholischer Landespräsident (ein „Curu-Chupa“ erster Garnitur) zu werden. So verweigerte er die Einreiseerlaubnis. Erst als Monate später Ponce unter dem Druck von Guayaquil ersetzt wurde und ein Liberaler das Amt übernommen hatte, konnte Knaevelsrud einreisen (Februar 1955).

Inzwischen war es gelungen im Dezember 1954 ein Haus zu mieten. Herr Bodenmann war befreundet mit einer wohlhabenden Witwe Borja. Ihr gehörte das stattliche Haus Avenida Colon No. 167, das sie zu einem akzeptablen Preis zur Miete gab. Der vordere , d. h. nach der Avenida gelegene große Wohnraum, konnte durch einen großen Vorhang geteilt werden. Der offene Kamin wurde durch Bodenmann so verkleidet, dass er wie ein Wandaltar wirkte, nahe beim Fenster war eine „Pult-Kanzel“, auch von Herrn Bodenmann gefertigt. Der deutsche Botschafter Dr. Joachim Kühn schenkte für den Altar ein antikes Kruzifix (nicht zur Freude der Reformierten); eine durch den Pastor aus Cardiff mitgebrachte Orgel und Bänke vom Haus Bodenmann vermehrt und ergänzt herüber genommen, bildeten die Ausstattung.

Das „Pfarrhaus“ enthielt also einen Kirchenraum, der bei geöffnetem Vorhang für 100 Personen Platz gab, freilich eng und im rechten Winkel gesetzt. Gegenüber des Hauses war „Ciervas de Maria“ und in der Nähe war ein Nachtclub. Die Telefonnummer des Pfarrhauses war 31 365, die Familie wohnte im Ober- und im Dachgeschoss.

Quito sollte die letzte lutherische Gemeinde Südamerikas werden. Hier saßen zusammen teil-jüdische emigrierte Christen deutscher Sprache neben Urdeutschen, weiter Skandinavier z. T. deutsch-feindlich und anglikanische Engländer und Amerikaner, endlich schweizerische und deutsche Reformierte – bis zu 10 Nationen unter einem Dach.

Am Weihnachtsgottesdienst 1954 taufte Pastor Streich noch im Haus Bodenmann unseren Sohn David (19.12.1954).

Mitte März 1955 hielt Pastor Knaevelsrud den ersten deutschen und den ersten skandinavischen Gottesdienst, dir Orgel spielte die Cellistin Frau Nora Hahn aus dem Emigranten Kreis. Am Karfreitag 1955 war der zweite deutsche Gottesdienst mit Abendmahl, [1] Dr. Herman vom „Weltbund“ nahm teil und berichtete nachher:

„In the crowded chapel I worshipped with the 70 people who participated in the Lord’s Supper. Tears of happy gratitude crept down many cheek. There were awkward moments as those people of many traditions endeavored to adapt themselves to each other, especially in partaking of the Holy Communion. Should they sit still, or come forward, kneel or stand, have one common cup or individual cups? But there was complete unity in the eager acceptance of the evangelical Word of God which the earnest pastor had prepared for them.”

Am gleichen Nachmittag war ein norwegischer Gottesdienst für 30 Skandinavier und nach beiden Abendmahls-Feiern hatten sich 15 Mädchen und Knaben zum Konfirmationsunterricht, beginnend im Juni, eingeschrieben. Sie wurden zu Pfingsten 1956 konfirmiert, nachdem vier noch am Vorabend getauft worden waren.

Von Ostern 1955 an, hatten wir in Quito zwei deutsche Gottesdienste, in Guayaquil einen deutschen Gottesdienst pro Monat. Dazu kamen englische Abendgottesdienste an den gleichen Tagen, sowie skandinavische Gottesdienste im Anschluss an die deutschen Morgengottesdienste. An kirchlichen Feiertagen, wie Pfingsten, Weihnachten und Ostern, war ein gemeinsamer Gottesdienst für alle. Der Pfarrer eröffnete in Deutsch, predigte kurz in Deutsch, wiederholte in Englisch den deutschen Text; gesungen wurden alte Luther-Lieder, die in allen Sprachen erhalten sind, so dass ein Kirchgänger selber deutsch, sein Nachbar englisch und ein anderer skandinavisch sang. Im Gesangbuch (wir hatten das Gesangbuch 1954 von Hannover) eingeklebt war in spanischer Sprache das „Credo apostolico“ das alle miteinander laut nach dem Text sprachen. Diese Gottesdienste waren besonders eindrücklich und verbindend.

Die Anzahl der Gottesdienste musste beschränkt gehalten werden, weil Knaevelsrud zweimal im Jahr die kolumbianischen Gemeinden je in Bogota, Cali, Medellin und Baranquilla, ferner die Skandinavier in Lima betreuen musste. Frau Knaevelsrud war dem Pfarrer eine große Hilfe in seiner Arbeit, unterrichtete teils Kinder, teils Konfirmanden.

Vom 10. bis 16. Oktober 1955 kam Prof. Wilhelm Hahn aus Heidelberg die Gemeinde besuchen und um den „Aktiven“ für die Abfassung der Kirchenstatuten beizustehen. Die Reformierten wünschten mindestens durch zwei Mitglieder im Vorstand vertreten zu sein; da solches aber für eine lutherische Gemeinde schlecht zu verantworten war – besonders im Hinblick auf Geldmittel auch undiplomatisch gewesen wäre, war der Ausweg gegeben durch die Bestimmung, es müssten immer „2 Schweizer“ im Vorstand vertreten sein. Diesen oblag es, stillschweigend zu sorgen, dass reformierte Konfirmanden durch den Pfarrer gesondert über die Auslegung des Abendmahls nach reformierter Lehre unterrichtet würden. Neben den Schweizern waren mindestens zwei Deutsche und ein Skandinavier im Vorstand.

Den Kirchenvorständen war auferlegt, vor jedem Gottesdienst die Kirchgenossen an den kommenden Gottesdienst zu erinnern und bei Nichterscheinen „freundlich zu ermahnen“. Diese Trommler-Aktivität war nicht immer angenehm, aber für die Anfangszeit von großer Wichtigkeit. ( Mir waren sämtliche Botschafter und Botschaftsräte zugewiesen!! )

Zur Legalisierung der Statuten war es nötig, dass der Vorsitzende des Vorstands ein Ecuadorianer deutscher Herkunft war. So wurde als Erster Herr Otto Scharnow gewählt. Weitere sehr engagierte Herren, die viel halfen, waren Herr Schulte und Herr Schwalbe, auch Herr und Frau Schrader. 1956 wurde die Legalisierung bei der ecuadorianischen Regierung nachgesucht und zu Weihnachten erteilt – aber einen Monat später wieder negiert. Schließlich musste ein Weg gefunden werden, indem die „Congregation“ lediglich als „Persona juridica“ unter Beilage von Statuten anerkannt werden konnte, was im Juni 1957 endlich der Fall war.

Am 26. Juni, also unmittelbar nach erreichtem juristischem Ziel, besuchte der hannoverische Bischof Lilje zusammen mit Dr. Herman die Gemeinde und predigte an der Colon. Anschließend reiste Dr. Herman zurück mit dem Antrag an den Lutherischen Weltbund um ein Darlehen zum Ankauf eines Grundstücks und den Bau einer eigenen Kirche mit Pfarrhaus.

Als Grundstück waren zwei in Aussicht genommen: das eine lag an der Kreuzung der verlängerten Orellana oberhalb der 6 de Diciembre, als Eckgrundstück war es sehr verlockend. Vermittler war der jüdische Financier Leo Erdstein, dem aber das Grundstück nur de facto, nicht aber de jure gehörte. Um Handänderungssteuern zu sparen, hatte der schlaue Fuchs das Grundstück noch auf dem Namen des Jesuiten-Ordens laufen, was den mir befreundeten Nuntius Monsignore Opilio Rossi veranlasste, mir lächelnd zu sagen, er habe ja nichts gegen unsere Gemeine einzuwenden, er wisse, dass wir keinen Proselytismus trieben, aber dass wir wünschten, dass uns die Jesuiten ein Grundstück überschrieben – das gehe doch etwas zu weit!

So waren wir einmal mehr dankbar, zutiefst dankbar über Herrn Bodenmanns Freundschaft zu Witwe Borja, die sich einverstanden erklärte, uns das schöne Grundstück gegenüber der Amerikanischen Botschafter-Residenz zu verkaufen, das zwar kein Eckgrundstück war und ironischerweise an der Avenida Isabel La Catolica lag. Am 8. Februar 1958 wurde uns das Grundstück notariell zuerkannt. Der Ankaufspreis des Grundstücks wäre im amtlichen Grundbuch nachzusuchen.

Ich hatte einen jungen Schweizer Architekten zum Freund. Er hieß Max Ehrensperger und stammte aus Neuhausen am schaffhausischen Rheinfall, er war bei mir Soldat gewesen und besuchte mich aus Anhänglichkeit. Er war in der Lage, innert weniger Wochen ein überzeugendes Projekt vorzulegen, das die einstimmige Zustimmung des Kirchenvorstandes und des Pastors fand. Schon am 20. April 1958 fand die Grundsteinlegung statt. Zuerst legte Prof. Scharnow den Grundstein in die Erde, dann durfte unser Töchterlein das erste Schäufelchen Erde nachschütten, worauf der 3-jährige Bruder David laut und vernehmlich sagte: „wott au“ – und zum 1. Advent sollte die Einweihung stattfinden.

Die Gemeinde war durch ein „Bettelbüchlein“ (Beilage) aus meiner Feder zu Spenden aufgefordert. Pastor Knaevelsrud und ich waren übereingekommen, alle aufzufordern, ein ganzes Monatseinkommen zu spenden, quasi analog dem biblischen Zehnten. Viele kamen dieser Aufforderung nach und Kassierer Bodenmann registrierte zufrieden den Geldeingang. Nur einer, der damalige steinreiche Konsul von Norwegen hatte die Kühnheit, uns 300 US$ zu schicken, die wir ihm prompt retournierten. Zwei oder drei Jahre kam er nicht mehr zur Kirche, dann aber brachte er ein Vielfaches. ( Leon Erdstein war uns doch noch, freilich indirekt, nützlich geworden: im nördlichen Batan, in El Inca, wo Frau Dammer wohnte, hatte Herr Erdstein an der Kreuzung eine kleine Fabrik zur Herstellung und Bedruckung von „Tapa-coronas“ finanziert; der zugereiste ostdeutsche Mechaniker schenkte uns die Kosten des „Bettelbüchleins“).

Gebettelt wurde auch um Geschenke materieller Art: die evangelische Gemeinde von Bellos Horizontes in Brasilien spendete die Kirchenbänke. Meine Patin in der Schweiz spendete die silberne Altar-Garnitur, die meine Frau entworfen und Plateria ecuatoriana (Avenida Colon) gefertigt hatte. In den 70er Jahren wurde das Silbergerät gestohlen. Meine heutige Gemeinde Meilen am Zürichsee spendete Ersatz.

Frau Bodenhorst aus Ambato spendete die silberne Einlegeschale zum steinernen Taufstein. Der dänische Konsul Helge Vorbeck von der Brauerei „La Victoria“ schenkte zwei Glocken; die eine war die Glocke der ersten ecuadorianischen Lokomotive, die größere war der „Arbeitsruf“ der Brauerei (Vorbeck sagte, wenn wir sie läuten würden, kämen alle seine Arbeiter zur Kirche). Wir hatten auf einen Kirchturm verzichtet, um weniger aufzufallen und nicht zu provozieren. So war einerseits der „Campanile“ Ersatz und als guten Kirchenglockenersatz erbettelten wir von der Fa. Philips in Holland eine Lautsprecheranlage. Die Lautsprecher wurden hoch oben in den Eucalyptusbäumen vor dem Haus montiert, sie übertrugen das schöne Geläut der Zürcher Kirchen. Dieses wurde an allen Kirchen-Sonntagen gespielt und sehr heimatlich empfunden. Nur am Karfreitag wurden die Campanile-Glocken geläutet. Meine Familie malte das bunte Kirchenfenster über der Altarwand.

Die Baukosten der Kirche samt Pfarrhaus betrugen Sucres 410.000 / US Dollars 25.500.

Zur Einweihung waren 250 Gemeindemitglieder aller Nationen zusammengeströmt. Es dienten: Dr. Stewart Herman vom Luth. Weltbund New York, Präsident Morck von der Synode in Kolumbien, Pastor Gulbis von Venezuela, Pastor Johnson von der World Mission of the Prayer League, Pastor Streich von der „Andean Mission“ und Pastor Knaeveslrud. Ich hatte nach Europa eilen müssen, weil man den Tod meines Vaters befürchtete – wurde durch Dr. Herman als „the spark plug“ anerkennend erwähnt. Es war ein Gott-Gesegnetes großes Einweihungsfest. Ich hatte zwei Wochen vorher meinen Freund, den päpstlichen Nuntius gefragt, ob wir ihn zur Feier einladen dürften; er sagte, er würde sehr gerne kommen, aber die katholische Gesellschaft würde sein Kommen missbilligen. Ob er nachher kommen dürfte? Nach meiner Rückkehr aus Europa holte ich ihn und zeigte ihm alles, was ihn sichtlich interessierte und Dr. Fry, der Präsident des Lutherischen Weltbunds in New York nannte die Kirche mit den berg-ähnlichen Konturen und dem himmelblauen ( damals! ) Ziegeldach die schönste Kirche Südamerikas.

Am 15. März 1959 wurde ich nach Europa zurückberufen. Ich wurde im Gottesdienst verabschiedet und ein Abschiedsgruss mir gewidmet (Beilage).

In Guayaquil hatte Pastor Knaevelsrud auch feste Grundpfeiler einer dortigen Gemeinde gesetzt und eine deutsch-englisch-skandinavische Gemeinde aufgebaut.

Als Odd Knaevelsrud 1960 nach Lima versetzt wurde, war sein Aufgabenkreis neben Deutscher Schule, neben Radio-Seelsorge über „Voz de los Andes“ gerade durch den Einsatz eines skandinavischen Eigen-Pastors für Kolumbien so weit geraten, dass er hätte zu allwöchentlichen Quito-Gottesdiensten übergehen können. Auch waren die ersten Schritte für einen Kinder-Gottesdienst-Raum (auf dem Hintergelände) gemacht, die aber erst 9 Jahre später voll realisiert werden konnten.

Am 2. Juli 1960 verließ Familie Knaevelsrud Quito. Für kurze Zeit half Pastor Guido Tornquist aus Brasilien aus, dann folgte wieder nur für ein Jahr Pastor Fred Wolf, bis schließlich Pastor Torgin Havgard für ganz nach Quito kam.

Herr Bodenmann, der treue Schweizer, ist wohl circa 1996 gestorben, das wissen Sie sicher dort. Pastor Knaevelsrud lebt im Ruhestand, leider verwitwet, in Kristiansand in Norwegen. Architekt Ehrensperger lebt in Genf, meine Familie und ich in Meilen bei Zürich. Frau Dehn, mit 96 Jahren geistig sehr frisch, lebt seit 1956 in München.

Seit 1998 wird die Pfarrstelle von der Evangelischen Kirche Deutschland (EKD) nicht mehr besetzt, da die Mitglieder der Adventsgemeinde ein volles Pfarrgehalt nicht mehr aufbringen können. Seitdem helfen Vakanzvertreter aus der EKD, Pastorinnen und Pastoren im Ruhestand, damit das Gemeindeleben aufrecht erhalten wird.